Entzogener Doktortitel - Berliner Verkehrssenatorin Manja Schreiner tritt zurück

Di 30.04.24 | 14:41 Uhr
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30.04.2024, Berlin: Manja Schreiner (CDU), Berliner Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, gibt ein Pressestatement zu ihrem Rücktritt als Berliner Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt.(Quelle: dpa/Christoph Soeder)
Video: rbb24 Abendschau | 02.05.2024 | Marie Steffens | Bild: dpa/Christoph Soeder

Die Universität Rostock hat die Doktorarbeit von Manja Schreiner überprüft - und wird ihr den Titel entziehen. Schreiner zieht daraus nun Konsequenzen - und kündigt ihren Rücktritt als Berliner Verkehrssenatorin an.


  • Im August 2023 wurde die Überprüfung der Doktorarbeit von Manja Schreiner (CDU) wegen möglicher Plagiate angestoßen
  • Die Universität Rostock enzieht der Politikerin nun den Doktortitel
  • Schreiner kündigte am Dienstag ihren Rücktritt an
  • Sie will die Einschätzung der Uni privat anfechten

Die Berliner Verkehrssenatorin Manja Schreiner tritt zurück. In einem kurzen Statement sagte die CDU-Politikerin am Dienstagvormittag zur Begründung, die Universität Rostock werde ihr den Doktortitel entziehen. Um Schaden vom Berliner Senat abzuwenden, habe sie den Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) deshalb um ihre Entlassung gebeten.

"Ich tue dies sehr schweren Herzens", sagte die Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt, "ich hätte sehr gerne mit all meiner Kraft diese Stadt weiter gestaltet." Schreiner betonte, sie habe in ihrer Dissertation an keiner Stelle vorsätzlich getäuscht oder betrogen. Als Privatperson werde sie deshalb Widerspruch gegen die Entscheidung einlegen.

Wegner teilte rund eine Stunde später mit, dass er der Bitte Schreiners nachkomme. Wer auf ihren Posten folgen werde, steht demnach nicht fest. "Es werden zeitnah Gespräche geführt", so der Regierende Bürgermeister.

Überprüfung nach Plagiatsvorwürfen gegen Schreiners Doktorarbeit

Manja Schreiner hatte die Universität Rostock im vergangenen Sommer selbst darum gebeten, ihre juristische Doktorarbeit aus dem Jahr 2007 zu überprüfen. Damit reagierte sie auf Berichte über Plagiate in der Arbeit zum Thema "Arbeitnehmerberücksichtigung im Übernahmerecht".

Die Universität Rostock begründete den Entzug des Doktortitels nun mit dem Ausmaß an nicht ausreichend gekennzeichneten Textübernahmen in ihrer Dissertation. Die Quantität der Fehler und ihre qualitative Gewichtung ließen den Fakultätsrat zu dem Schluss kommen, dass das Werk den Ansprüchen an eine wissenschaftliche Arbeit nicht genüge, teilte das Gremium der Juristischen Fakultät am Dienstag mit: "Daher hätte Frau Schreiner der Doktorgrad nicht verliehen werden dürfen. Der Fakultätsrat hat daher einstimmig beschlossen, den Doktorgrad wieder zu entziehen."

Zuerst war der Vorwurf im Fachmagazin "Neue Juristische Wochenschrift" aufgetaucht. Der Frankfurter Rechtsprofessor Roland Schimmel hatte in einem Artikel über sogenannte "Bauernopfer" in akademischen Schriften Schreiners Arbeit als Beispiel genannt. Als "Bauernopfer" werden Textübernahmen aus anderen Arbeiten bezeichnet, bei denen die Quelle zwar genannt wird, aber beispielsweise nicht klar gekennzeichnet ist, in welchem Umfang Text übernommen wurde.

Danach hatten Fachleute auf der Plattform Vroni-Plag Wiki die Doktorarbeit analysiert und nach eigenen Angaben "zahlreiche und umfängliche Plagiatsbelege" gefunden. Auf der Website heißt es, mehr als zwei Drittel der Seiten enthielten Plagiatstext, auf 13 Seiten machten die problematischen Stellen mehr als 75 Prozent des Textes aus. Hauptsächlich gehe es dabei um "Bauernopfer", teilweise aber auch um "Komplettplagiate".

Auch Giffey trat nach Plagiatsvorwürfen zurück

Schreiner selbst hatte sich bis Dienstag nie öffentlich zu den Vorwürfen geäußert. Aus ihrem Umfeld hieß es zuletzt, sie habe "eine tiefe Grundüberzeugung, nichts falsch gemacht zu haben".

Manja Schreiner ist nicht die erste Berliner Spitzenpolitikerin, die nach Plagiatsvorwürfen ein Amt verliert. 2021 trat die heutige Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) als Bundesfamilienministerin zurück, als sich abzeichnete, dass ihr die Freie Universität den Doktortitel entziehen würde. Wenige Monate später trat Giffey aber als Spitzenkandidatin bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl an und wurde nach dem SPD-Wahlsieg Regierende Bürgermeisterin.

Trotz Verlust des Doktortitels im Amt blieb 2012 der damalige CDU-Fraktionschef im Abgeordnetenhaus, Florian Graf.

Schreiner stieß mit ihrer Politik als Verkehrssenatorin auf Kritik

Schreiner ist Juristin und gehört dem schwarz-roten Berliner Senat seit Ende April 2023 an. Von 1996 bis 2001 studierte sie Rechtswissenschaften an der Universität Rostock. Nach dem Referendariat schloss sie ein Masterstudium in Internationalem und Europäischem Wirtschaftsrecht an. Von 2005 bis 2007 promovierte sie in Rostock.

Als Senatorin für Mobilität, Verkehr, Klimaschutz und Umwelt stieß Schreiner mit etlichen ihrer Entscheidungen auf Kritik aus der Stadtgesellschaft. Kritiker aus anderen Parteien warfen ihr vor, nach den Bemühungen der rot-grün-roten Vorgängerregierung um eine ökologische Verkehrswende wieder stärker eine Mobilitätspolitik für das Auto zu machen.

Anerkennung aus der CDU, Kritik aus der Opposition

"Wer getäuscht und Privilegien missbraucht hat, muss Konsequenzen ziehen", kommentierte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Werner Graf am Dienstag die Rücktritts-Ankündigung. "Daher war der Rücktritt Manja Schreiners nach der Aberkennung ihres Doktortitels der einzig mögliche Schritt." Die nun frei werdende Stelle Schreiners müsse "zügig neu besetzt werden". Er kritisierte Schreiners Arbeit als Verkehrssenatorin als "Stop-Politik" und forderte eine "progressive, mutige und nachhaltige Verkehrspolitik" für Berlin.

Der Regierende Bürgermeister Wegner betonte in seinem Statement, er sei dem Rücktrittsgesuch "schweren Herzens" nachgekommen. Wegner nannte Schreiner "ein Gesicht und eine Stimme für eine dringend notwendige Verkehrswende in unserer Stadt, die die Ideologie der letzten Jahre überwindet". Schreiner habe in den vergangenen zwölf Monaten "die richtigen Schwerpunkte gesetzt und sich für eine Verkehrspolitik eingesetzt, die alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer in den Blick nimmt."

Die Berliner CDU-Generalsekretärin Ottilie Klein zollte Schreiner auf X ihren Respekt. "Die vor einem Jahr begonnene Wende hin zu einer fairen Mobilität für alle trägt ihre Handschrift."

Die Vorsitzende der AfD-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Kristin Brinker, lobte den Rücktritt der Verkehrssenatorin als "politischen Anstand". Schreiner war "als Verkehrssenatorin eine positive Abwechslung zu ihren rein ideologisch motivierten Vorgängern. Sie war erkennbar bemüht, die vielfältigen verkehrlichen Interessen der Berliner unter einen Hut zu bekommen, anstatt wie ihre Vorgänger die Verkehrsteilnehmer gegeneinander auszuspielen", so Brinker.

Sendung: rbb24 Inforadio, 30.04.2024, 11:30 Uhr

 

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173 Kommentare

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  1. 173.

    Typisch für die CDU-Chaoten! Unfähig zu regieren! Eine Schande für unsere Demokratie und Katastrophe für Berlin.

  2. 172.

    Wen meinen sie so? Prof Dr Unrat, Dr. Mabuse, Prof. Dr. Müller-Lüdenscheid? ;-)

    und zu 35. Berta :
    Na das ist ja mal wieder so ein richtiger Stammtischrundumschlag - alles Nieten alles Pfeifen ....wahr ist aber tatsächlich, dass das inzwischen für einige Herren der Hauptzeitvertreib ist, derartige Arbeiten zu prüfen, mit welchem Sachverstand auch immer, in den Medien ihre Arbeit u. Gerüchte zu lancieren .... bezahlte Lobbyarbeit und ja, es stimmt, die prüfenden Profs. leiden auch an Arbeitsüberlastung, usw. usw, ach ja und menscheln tuts ja gelegentlich auch noch

  3. 171.

    Das ist vor allem eine Phrase, die vor passiver Aggressivität vor daraus entstehender aktiver Gewalt nur so strotzt.

    Wer sich nicht auf Fakten, Tatsachen einlässt, dass 75 Jahre "autogerechte Stadt", mindestens ebensolange Konzentration sämtlicher zu Verfügung stehender Mittel für (Individual)-KFZ-Verkehr, Lager- und Transportlogistik auf er der Basis von Straße, Verbrennungsmotor aufgewendet wurden,
    selbstverständlich in dieser Konzentration nur eine Konzentration genau darauf und nichts anderes zuliess. Zu der darauf konzentrierten Infrastruktur führte - was soll man wie mit dem noch sachlich reden können? Wer in solcher Parallelgesellschaft., solcher Parallewirklichkeit, solcher virtuell-freifliegenden Erzählung lebt, leben möchte, muss natürlich ignorieren, dass er genau das Gegenteil von "Fairness" lebt und propagiert. Der befindet sich in einem gleichsam religiösen Konstrukt, dass er selbstverständlich alle anderen als Anhänger falscher Religion wahrnehmen muss.

  4. 170.

    Vielleicht sollten Politiker ihre Titel vorbeugend gleich zurück geben. Im Computerzeitalter sind Textkopien aber auch kein Hexenwerk mehr, also muss auch keine Hexenjagt stattfinden. Man hat den Eindruck, das wird angestrebt um Politiker aus dem Amt zu bekommen
    Allerdings kann es auch nicht sein, dass man einfach so einen Titel erhält.

  5. 169.

    Kein Wunder, dass sie auch nach dem fünften Mal durch die Fahrprüfung gerasselt sind, wenn sie beim Abbiegen die Handbremse ziehen. Sei es drum, sie haben mir damit den Tag versüßt.

  6. 167.

    am ende zählt das ergebnis der "desaströs komunizierten" projekte und dies ist gut für die stadt!

  7. 166.

    Nö. Ich bin zuversichtlich, dass adäquat nachgelegt wird.

  8. 165.

    5 kmh ?? Zeigen sie mir mal ein Auto oder Motorrad das dieses Tempo fahren kann bzw.halten kann. Gibt es nicht.... selbst Radfahrer müssten dann dieses Tempo fahren. Ich lach jetzt schon.

  9. 164.

    Wie kann man mit summa cum laude einen Doktor machen und dann diesen nach Jahren aberkannt bekommen? Unklar.

  10. 163.

    Das sehe ich auch so. In meinen Augen hat Frau Schreiner gute Arbeit gemacht. Und ob sie einen Doktortitel hat/hatte ist mir schlicht egal. Ich denke da gerade an zwei Grünen-Politikerinnen, die sich garnicht erst befleißigt haben, eine Doktorarbeit zu schreiben.
    Ich hoffe es fndet sich jemand, der mit Umsicht - wie Frau Schreiner - ihre Arbeit fortsetzt. Bei der Größe Berlins und der Vielzahl persönlicher Wünsche und Vorstellungen der Bürger auf keinen Fall eineleixhte Aufgabe.

  11. 162.

    "Merkwürdig finde ich dabei, dass solche "Skandale" immer nur dann aufgedeckt werden, wenn jemand aus einem Amt gedrängt werden soll."

    Was soll daran merkwürdig sein. Das ist Politik. Wer - freiwillig - ins Rampenlicht tritt, muss mit so etwas rechnen. Oder anders gefragt: wann sollte es denn sonst aufgedeckt werden?

  12. 160.

    "... Recht auf Anrede mit dem Titel."
    Kann ja alles sein, aber trotzdem herrscht keine Pflicht zur Anrede mit "Doktor" und zu einem Bückling.
    Also wie soll das angebliche Recht dann aussehen? An der Stelle merkt man ja schon, Blödsinn.
    Auf Briefkasten und Mülltonne vor den Namen schreiben darf man den "Doktor" natürlich... :-)

  13. 159.

    Und dem Doktorvater bitte den Professorentitel aberkennen. Wer eine fehlerhafte Doktorarbeit nicht erkennt sollte nicht mehr nicht mehr in der Lehre arbeiten.

  14. 158.

    Die Aspiranten geben eine eidesstattliche Erklärung ab. das sind alles erwachsene menschen, denen man auch vertrauen muss. Und nein, die Prüfer kontrollieren keine Quellennachweise, diese Vorstellung ist naiv.

  15. 156.

    Was ich eigentlich nicht mehr verstehen kann, wie es überhaupt sein kann, daß Plagiate ohne Ende bei der Doktorarbeit vorkommen können und trotzdem alles durchgewunken wird? Werden die etwa verscherbelt? Das ist unabhängig, ob das bei einen Politiker dies passiert. Möchte nicht wissen, wie hoch die Dunkelziffer ist, die unberechtigt mit einem Doktortitel rumlaufen tun.

  16. 155.

    Das ist ja nun nicht der erste Fall von Plagiatsvorwürfen und Doktortitel -Aberkennungen. Das wirft auch ein schlechtes Licht auf die Betreuer der Doktoranten und die Universitäten, die die Titel ja mal verliehen haben. Schließlich können die sich nicht von einem laschen Vorgehen bei der Bewertung der Arbeiten freisprechen.
    Merkwürdig finde ich dabei, dass solche "Skandale" immer nur dann aufgedeckt werden, wenn jemand aus einem Amt gedrängt werden soll.

  17. 154.

    Schwarzer Tag für die Autolobby.

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